Luxa­ti­on und Insta­bi­li­tät der Schul­ter

Röntgenbild mit Glenoidfraktur

Eine Schul­ter­lu­xa­ti­on ist die Aus­ku­ge­lung des Schul­ter­ge­lenks. Das Schul­ter­ge­lenk besteht aus der Gelenk­pfan­ne (Gle­no­id) und dem Ober­arm­kopf. Die­se knö­cher­nen Struk­tu­ren wer­den durch die Kap­sel mit ihren ver­stär­ken­den Bän­dern, der Gelenks­lip­pe und der Seh­nen­kap­pe (Rota­to­ren­man­schet­te) zusam­men­ge­hal­ten.

Nach einer erst­ma­li­gen Aus­ku­ge­lung kann sich die Schul­ter mit Hil­fe von Phy­sio­the­ra­pie unter Umstän­den wie­der selbst sta­bi­li­sie­ren. Kommt es wie­der­holt zu Luxa­tio­nen, besteht eine chro­ni­sche Schul­ter­in­sta­bi­li­tät. Je jün­ger eine Pati­en­tin oder ein Pati­ent ist, desto grös­ser ist das Risi­ko für eine ver­blei­ben­de Schul­ter­in­sta­bi­li­tät.

Röntgenbild mit Glenoidfraktur

Luxa­ti­on oder Aus­ren­kung des Schul­ter­ge­lenks

Ursa­chen der Schul­ter­lu­xa­ti­on

Die Schul­ter­lu­xa­ti­on ist die häu­fig­ste Luxa­ti­on beim Men­schen. Dies liegt an der schlech­ten knö­cher­nen Füh­rung des Gelen­kes bei fla­cher Pfan­ne und run­dem Kopf, was ihm wie­der­um eine aus­ge­zeich­ne­te Beweg­lich­keit ver­leiht. Die mei­sten Luxa­tio­nen wer­den durch Unfäl­le ver­ur­sacht.

Sie kön­nen aber auch Fol­ge einer anla­ge­be­ding­ten ver­min­der­ten Gelenk­füh­rung sein (ver­än­der­te knö­cher­ne Gelen­kebe­ne, Über­be­weg­lich­keit). Mei­stens springt der Ober­arm­kopf nach vor­ne unten aus der Gelenk­pfan­ne, sel­ten nach hin­ten.

Mög­li­che Ver­let­zun­gen

Typisch sind Ver­let­zun­gen der Weich­tei­le. Die Gelenk­kap­sel mit ihren Ver­stär­kungs­bän­dern kann über­dehnt wer­den oder ein­reis­sen. Oft reisst auch die Gelen­klip­pe (Labrum) vom knö­cher­nen Pfan­nen­rand ab, denn dort ist die Kap­sel ver­an­kert. Die­se Ver­let­zung heisst Labrum Läsi­on oder nach ihrem Erst­be­schrei­ber Bank­art ­Läsi­on. Beglei­tend dazu fin­det sich fast immer eine Del­le am hin­te­ren obe­ren Ober­arm­kopf, näm­lich dort, wo der Kopf am Pfan­nen­rand ein­ge­hakt war wäh­rend der Luxa­ti­on.

Es kann auch zu schwe­re­ren Ver­let­zun­gen mit knö­cher­nem Abbruch des Pfan­nen­ran­des kom­men, gele­gent­lich fin­det sich ein Bruch des Ober­arm­höckers. Bei älte­ren Pati­en­ten kön­nen zusätz­lich Riss­bil­dun­gen der Rota­to­ren­man­schet­te auf­tre­ten.

Sym­pto­me

Pati­en­ten mit einer chro­ni­schen Insta­bi­li­tät haben in der Regel kei­ne Schmer­zen. Oft fürch­ten sie aber, dass bei bestimm­ten Bewe­gun­gen die Schul­ter aus­ku­gelt, wes­halb die­se Bewe­gun­gen ver­mie­den wer­den.

Dies führt zu Ein­schrän­kun­gen bei der Arbeit, in der Frei­zeit und vor allem beim Sport. Tre­ten Schmer­zen im Gelenk auf, spricht dies meist für eine sub­stan­zi­el­le Ver­let­zung, eine ent­zünd­li­che Reak­ti­on der Gelenk­kap­sel oder eine begin­nen­de Arthro­se (Abnut­zungs­er­schei­nung).

Abklä­rung

In erster Linie wird eine Rönt­gen­un­ter­su­chung der Schul­ter in meh­re­ren Ebe­nen durch­ge­führt. Dabei kann im luxier­ten Zustand die Luxa­ti­ons­rich­tung bestimmt wer­den. Nach der Repo­si­ti­on (Ein­ren­kung) wird nach Frak­tu­ren der Pfan­ne und des Ober­arm­kopfs gesucht.

Eine Magnet­re­so­nanz­to­mo­gra­fie (MRI) oder eine Com­pu­ter­to­mo­gra­fie (CT) soll­ten zusätz­lich zum Rönt­gen nach einer erst­ma­li­gen Aus­ku­ge­lung durch­ge­führt wer­den. Wich­tig ist bei bei­den Ver­fah­ren die Ver­wen­dung eines Kon­trast­mit­tels, wel­ches direkt in das Gelenk inji­ziert wird. So kön­nen Ver­let­zun­gen der Gelen­klip­pe gefun­den wer­den, aber auch Knor­pel­schä­den und Seh­nen­ris­se las­sen sich gut dar­stel­len.

Von zen­tra­ler dia­gno­sti­scher Bedeu­tung ist vor allem die kli­ni­sche Unter­su­chung zur Beur­tei­lung des Instabilitäts-grades und zur Erfas­sung der Insta­bi­li­täts­rich­tung. Die­se Unter­su­chung ist jedoch erst eini­ge Wochen nach einer Erst­lu­xa­ti­on mög­lich, da vor­her Schmer­zen im Vor­der­grund ste­hen.

Kon­ser­va­ti­ve Behand­lung

Bei der aku­ten Schul­ter­lu­xa­ti­on ist die sofor­ti­ge Wie­der­ein­ren­kung (Repo­si­ti­on) wich­tig, um die län­ger­dau­ern­de Über­deh­nung und ent­spre­chen­de Schä­di­gung der Ner­ven zu ver­hin­dern.

Zuvor soll­te anhand eines Rönt­gen­bil­des eine Frak­tur aus­ge­schlos­sen wer­den. Gelingt die Repo­si­ti­on auf­grund der schmerz­be­ding­ten Mus­kel­an­span­nung im wachen Zustand nicht, wird eine Kurz­nar­ko­se ein­ge­lei­tet.

Nach der Repo­si­ti­on wird die Schul­ter in einer Arm­schlin­ge für eine bestimm­te Zeit ruhig­ge­stellt und durch Phy­sio­the­ra­pie behan­delt. Eine unmit­tel­ba­re Ope­ra­ti­on ist nur sel­ten not­wen­dig.

Sie kann nötig sein bei bestimm­ten Brü­chen, aber auch bei Men­schen, die auf eine äus­serst bela­stungs­fä­hi­ge Schul­ter ange­wie­sen sind.

Ope­ra­ti­ve Ber­hand­lung

Bei einer anhal­ten­den Insta­bi­li­tät ist die arthro­sko­pi­sche Sta­bi­li­sie­rung der Stan­dard. Dabei wird die abge­ris­se­ne Gelen­klip­pe wie­der am Kno­chen befe­stigt und der über­dehn­te Kap­sel­band­ap­pa­rat gestrafft. Es wer­den dafür spe­zi­el­le Faden­an­ker ver­wen­det, die im Kno­chen der Gelenk­pfan­ne fixiert wer­den.

Wenn grös­se­re knö­cher­ne Ver­let­zun­gen des Pfan­nen­ran­des vor­lie­gen, wer­den die­se mit Schrau­ben fixiert. Ist das abge­spreng­te knö­cher­ne Frag­ment zu klein für eine Ver­schrau­bung oder bereits in einer Fehl­po­si­ti­on ver­heilt, wer­den soge­nann­te Knochenblock­Operationen not­wen­dig. Dafür kann bei­spiels­wei­se ein Kno­chen­block vom Becken­kamm ent­nom­men und in den Kno­chen­de­fekt am Pfan­nen­rand ein­ge­setzt wer­den, um die Kon­tur der Gelenk­pfan­ne wie­der­her­zu­stel­len. Alter­na­tiv kann das Cora­co­id (= Raben­schna­bel­fort­satz, ein schul­ter­na­her Kno­chen­fort­satz) ent­nom­men und trans­fe­riert wer­den. Die­se Tech­nik nennt man eine Schul­ter­sta­bi­li­sie­rung nach Latar­jet.

Nach­be­hand­lung

Die Nach­be­hand­lung einer Sta­bi­li­sie­rungs­ope­ra­ti­on ist fast eben­so wich­tig wie der eigent­li­che Ein­griff. Wäh­rend der ersten 4 Wochen nach der Ope­ra­ti­on wird die Schul­ter in einer Arm­schlin­ge ruhig­ge­stellt.

Bereits am ersten Tag nach der Ope­ra­ti­on beginnt ein phy­sio­the­ra­peu­tisch beglei­te­tes Reha­bi­li­ta­ti­ons­pro­gramm. Im Anschluss an die­se erste Reha­bi­li­ta­ti­ons­pha­se folgt ein kon­ti­nu­ier­li­cher Bewegungs- und Bela­stungs­auf­bau mit mus­ku­lä­ren Sta­bi­li­sie­rungs­übun­gen. Leich­te­re kör­per­li­che und sport­li­che Tätig­kei­ten sind zu die­sem Zeit­punkt bereits wie­der mög­lich. Kon­takt­sport­ar­ten soll­ten erst ein hal­bes Jahr nach der Ope­ra­ti­on wie­der aus­ge­übt wer­den.

Risi­ken und Kom­pli­ka­tio­nen

Neben den all­ge­mei­nen Ope­ra­ti­ons­ri­si­ken besteht bei der arthro­sko­pi­schen Schul­ter­sta­bi­li­sie­rung das Risi­ko einer ver­blei­ben­den Insta­bi­li­tät mit wie­der­hol­ter Schul­ter­lu­xa­ti­on
(ca. 5 –10% ). Mög­li­che Grün­de dafür sind ein erneu­tes Trau­ma, aber auch die Aus­locke­rung der Kap­sel über die Zeit oder Mate­ri­al­brü­che der ver­wen­de­ten Kno­chen­an­ker.

Das Risi­ko für Ver­let­zun­gen von Blut­ge­fäs­sen oder Ner­ven ist klein, es liegt unter 1%. Vor allem der Ner­vus axil­la­ris muss geschont wer­den, da er in unmit­tel­ba­rer Nähe zum unte­ren Pfan­nen­rand ver­läuft.

Sel­ten ent­steht im Hei­lungs­pro­zess eine reak­ti­ve Gelenk­kap­sel­ent­zün­dung. Die­se kann zu einer vor­über­ge­hen­den Schrump­fung der Gelenk­kap­sel mit Bewe­gungs­ein­schrän­kung füh­ren (Schul­ter­stei­fe). Die Pro­gno­se ist ins­ge­samt gut, da die Stei­fe nach Abklin­gen der Ent­zün­dungs­pha­se durch ein phy­sio­the­ra­peu­tisch geführ­tes Pro­gramm beho­ben wer­den kann.

Insta­bi­li­täts­ar­thro­se

Jede ein­mal aus­ge­ku­gel­te Schul­ter hat das Risi­ko, eine soge­nann­te Insta­bi­li­täts­ar­thro­se zu ent­wickeln, ob sie ope­riert wird oder nicht. Stu­di­en zei­gen sogar, dass ope­rier­te Schul­tern nach vie­len Jah­ren eher mehr Arthrose-Veränderungen zei­gen, als nicht ope­rier­te insta­bi­le Schul­ter­ge­len­ke ohne knö­cher­ne Ver­let­zun­gen.

Eine Sta­bi­li­sie­rungs­ope­ra­ti­on soll also, wie der Name bereits sagt, der Sta­bi­li­sie­rung die­nen, Spät­fol­gen kann sie lei­der nicht voll­stän­dig ver­hin­dern.

Schul­ter und Ell­bo­gen

Bar­ba­ra Wirth

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Schul­ter und Ell­bo­gen — Wei­te­re Infor­ma­tio­nen